Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 05.03.2015 (1 U 46/15), Pressemitteilung:

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg hat das Land Niedersachsen für einen Verkehrsunfall während einer Einsatzfahrt mitverantwortlich gehalten.

Im September 2010 kam es während einer Einsatzfahrt der Polizei zu einem Verkehrsunfall in Aurich. Ein Polizeifahrzeug war mit Blaulicht und Martinshorn auf dem Weg zu einem Tankstellenüberfall in Moordorf. Auf der Heerstraße in Aurich fuhr vor ihm ein Kleinbus, der nach links abbiegen wollte. Der Fahrer des Polizeiwagens beabsichtigte, das Fahrzeug rechts zu überholen. Der Kleinbus bremste jedoch abrupt ab und der Polizeiwagen fuhr auf ihn auf. An beiden Fahrzeugen entstand erheblicher Sachschaden.

Das Land Niedersachsen als Eigentümerin des Polizeifahrzeugs verklagte die Fahrerin und den Haftpflichtversicherer des Kleinbusses vor dem Landgericht Aurich auf Schadensersatz in Höhe von rd. 13.000,-€. Es vertrat die Auffassung, dass die Fahrerin des Kleinbusses allein für den Verkehrsunfall verantwortlich sei. Das Landgericht gab dem Land Niedersachsen Recht und führte in seinem Urteil aus, dass die Fahrerin des Kleinbusses verpflichtet gewesen sei, dem Einsatzfahrzeug sofort freie Bahn zu verschaffen. Sie habe das Martinshorn von weitem hören können und entweder an den rechten Rand fahren oder stehen bleiben müssen. Zumindest habe sie den von ihr eingeleiteten Abbiegevorgang nicht abrupt abbrechen dürfen. Den Fahrer des Polizeiwagens treffe keine Mitverantwortung, da das Verhalten der Beklagten für ihn nicht vorhersehbar gewesen sei.

Dagegen legten die Fahrerin und der Haftpflichtversicherer des Kleinbusses Berufung beim Oberlandesgericht Oldenburg ein und machten geltend, dass das Land Niedersachsen jedenfalls eine Mithaftung von 25 % treffe. Der 1. Zivilsenat pflichtete dem bei und vertrat die Auffassung, dass der Fahrer des Polizeiwagens nicht genügend Abstand zu dem Kleinbus gehalten habe. Er habe damit rechnen müssen, dass die Fahrerin des Kleinbusses unsicher auf den Einsatzwagen reagieren würde. Die der Polizei zustehenden Sonderrechte dürften nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden. Unabhängig davon rechtfertige auch die Betriebsgefahr des mit Sonderrechten fahrenden Polizeifahrzeugs für sich genommen bereits eine Mithaftung von 25 %. Das Land Niedersachsen und der Haftpflichtversicherer des Kleinbusses nahmen diese Einschätzung des Senats zum Anlass, sich über eine Abrechnung auf entsprechender Grundlage zu einigen, und erklärten den Rechtsstreit für erledigt.

(OLG Oldenburg 1 U 46/15, Landgericht Aurich 2 O 790/13, Urteil vom 05. März 2015).